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Beiträge zum Gebrauch von Personen- und Hofnamen im 17. bis 19. Jahrhundert
Spezielle Beispiele aus den Dörfern Ruben, Dobristroh
(Freienhufen), Klettwitz und Koßwig
Wer sich mit heimatgeschichtlichen
Problemen, Ortschroniken
bzw. Ortsgeschichte oder geneaologischen Untersuchungen
beschäftigt, kommt letztendlich nicht an der historischen Tatsache
vorbei, dass in unserer Region jahrhundertelang, die Personennamen sich
anders, als wir es aus heutiger Zeit gewöhnt sind, veränderlich zeigten,
insbesondere immer dann, wenn beim Übergang einer Bauernstelle dem
Vorbesitzer nicht sein gleichnamiger Sohn als neuer Wirt folgte. Lehmann hat bei seinen Untersuchungen zur Erbfolge in den Bauerngütern des alten Amtes Senftenberg eindrucksvoll dargestellt, dass „... der Hofname dem neuen Besitzer den Namen aufzwang“ 1. Lehmann fährt fort: „Heiratete nämlich ein Fremder (Schwiegersohn, zweiter Mann der Witwe u.a.) in die Wirtschaft, so nahm er für gewöhnlich den Namen der Frau, das heißt des Hofes an. Das geschah aber auch dann, wen zwischen früherem und späterem Besitzer gar keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestanden … Demnach gibt es heute manche Familie, deren Vorfahren ganz anders geheißen haben, und umgekehrt wird die Lebensdauer mancher Familie, die wenigsten in einem bestimmten Zweig bereits ausgestorben war, oft fälschlich nach der Gegenwart weiter verfolgt.“ In diesem Artikel Lehmanns und einigen anderen seiner Arbeiten lieferte er zahlreiche Varianten der Dominanz der Torsäulen bzw. Hofnamen gegenüber den Personennamen der neuen angehenden Hofbesitzer. Böhnisch zeigte uns jüngst überzeugend, wie es beim Gütertausch2 zum gegenseitigen Personennamenaustausch kam.Auch ich bin bei meinen Untersuchungen zu den historischen Lebensverhältnissen der Niederlausitzer anhand der Träger des Familiennamens Radochla 3 und meiner Sammlung zu einer künftigen Ortschronik des Dorfes Ruben (heute zur Gemeinde Werben) auf die von Lehmann und Böhnisch herausgearbeitete Zusammenhänge der Namensübertragung gestoßen. Ergänzend zu jenen sind mir spezielle Ausprägungen aufgefallen:
1
Rudolf Lehmann: Hofnamen im Amte Senftenberg; In:
Niederlausitzer Mitteilungen, Nr. 23, Guben 1935 S. 115-122.
obiges S.115, S.116.
2
Fritz Böhnisch: Zur Praxis des Hofnamengebrauchs in der
Niederlausitz; Niederlausitzer Studien Heft 30, S.29-41
3
Meine Untersuchungen beziehen sich auf alle historischen Träger
meines nachweislich slawischen (Mucke, Witte, Schlimpert, Wenzel
usw.) und in der Niederlausitz in dieser Form beheimateten
Familiennamens, unabhängig davon, ob die konkreten
geschichtlichen Personen in meiner Ahnenreihe stehen oder nicht.
Wenn man die Hinweise bei Schlimpert (Slawische Personennamen in
mittelalterlichen Quellen zur deutschen Geschichte, 1978) auf
Johann Roduchel in
„villa roduchelstorp“ [1297; Mecklbg.Urkb. Bd IV Nr.
2456,Schwerin 1867] und einem aus Roduchelstorf
(Mecklgb.) stammenden Bürger von Lübeck „Albertus
Rodughel“ [1330; Mecklbg.Urkb. Bd VII Nr. 5198, Schwerin 1873]
sowie auf einen Raduchel in Gadebusch bei Witte [
Wendische Zu- und Familiennamen, Mecklbg Jahrbuch 76, 1906].
unberücksichtigt läßt, siedelten die Radochlas im 16- bis 18.
Jahrhundert fast ausschließlich in der Niederlausitz. Unter den
historischen Radochlas finden wir vorwiegend Bauern aller
Schattierungen: amtsuntertänige Hüfner, Pfarrdotalen,
herrschaftsuntertänige Kossäten und Gärtner, einzelne Büdner (
Schipkau, Dobristroh, Sallgast, Meuro, Koßwig, Schönfeld,
Stennewitz u.a.); einige von ihnen gehörten als Schöppen oder
Dorfschulzen zu den Dorfgerichten; aber auch Bürger , so einen
„sutor“ ( Schuhmacher), einen „sartor“ ( Schneider)in Spremberg,
ersterer wurde zeitweise zusätzlich als „consul“ bzw.“proconsul“
( Bürgermeister, Stadtrat) in Spremberg bezeichnet, sowie
mehrere Häusler , die im Dorfe den Schneiderberuf ausübten
(Klettwitz, Senftenberg, Dörrwalde), Rad- bzw. Stellmacher oder
Schankwirt ( Sallgast, Klingmühl) waren. Im 16.,17. und 18..
Jahrhundert gab es mehrere evangelische Pfarrer dieses Namens,
so in Groß-Schacksdorf, Groß-Kölzig, Graustein und Oderin.
Letzterer war vorher (1651-54) ein an der Gegenerschaft des
dortigen Pfarrers
gescheiterter Kantor und Lehrer in Lübbenau. Der an der
Leipziger Universität, als erster seines Namens, 1751
promovierte Doktor der Rechtswissenschaft und in Spremberg
lebende Advokat „Radochlai“ unterstützte in der 2. Hälfte des
18. Jahrhunderts juristisch die Bohsdorfer Bauern gegen
Forderungen des Gutsherrn und Kreisältesten von Trosky. Ein
Schneider Radochla war gleichzeitig Küster und Schullehrer in
Krausnick im Unterspreewald. Seine Tochter wurde wegen
Kindesmord 1752 enthauptet [Reusche, In: Tägl. Krbl. f. d. Kr.
Beeskow-Storkow, 2.,4.,5. u.6.8.1924]. 130 Kinder
betreute der Lehrer und Küster um1850 in dem heute
bergbaubedingt verschwundenen Dorf und der Parochie Schönfeld.
Ein anderer saß für 12 Jahre im Zuchthaus Luckau, weil er
glaubte die Feuerversicherungssumme kassieren zu können, wenn er
sein Haus selbst anzündet. Mit dem Ende des 19. und im 20.
Jahrhundert kam es folgerichtig der allgemeinen
Gesellschaftsentwicklung
auch bei den Namensträgern Radochla zu einer dahin nicht
registierten Berufsvielfältigkeit und Mobilität der Ansiedlung.
Erst im 19.Jahrhundert erfolgten Ansiedlungen in den städtischen
Zentren Berlin, Leipzig, Dresden. Auswanderungen nach Amerika
oder Australien, zu der sich viele Lausitzer in diesem
Jahrhundert entschlossen, sind für die Namensträger Radochla
dagegen nicht nachweisbar. Im 20. Jahrhundert erfolgte dann eine
Verbreitung über ganz
Deutschland, durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse
gefördert. Sie wohnen heute in einem Gebiet, daß durch die
Eckpunkte Wriezen an der Oder , Hamburg, Düsseldorf, München,
Leipzig und Radeburg gekennzeichnet ist. |
Dieser Beitrag erschien in den
Niederlausitzer Studien, Heft 31, 2004 |